Eine berührende Feier
19.06.2012
Noch niemals hatten die Menschen so viel Angst vor dem Tod wie heutzutage und niemals ein Mittel, diese Angst zu besiegen. Wir müssen damit leben, dass der Tod unser täglicher Begleiter ist. Es gibt für einen Menschen nicht nur einen Tod, sondern viele. Der, der uns dahinrafft, ist nur der letzte, sagt Seneca.
Gerade an einem Ort wie diesem spüren wir schmerzhaft, wie schutzlos und verletzlich der Mensch ist. Weil wir begreifen, dass es Zeit ist, die Masken abzulegen? Die tiefe Wahrheit lautet: Das Leben findet jetzt statt, in diesem Augenblick! Wie viele von uns warten tagtäglich darauf, dass das Leben beginnt. Erst muss noch dies und jenes erledigt, angeschafft, durchgestanden werden, dann ….Die Zeit eines Lebens zerfließt – wenn wir sie zu packen glauben – zwischen den Händen.
Uns Obdachlosen ist es egal, wenn man mit Fingern auf uns zeigt, denn so lange man das tut, sind wir am Leben. Man wird uns ohnehin immer mehr verdrängen. Aus Parks, aus Bahnhöfen und von Plätzen, die uns so wichtig scheinen und wo wir nur uns zur Last fallen. Bärtige, zahnlose Gestalten mit Bierdosen und Schnapsflaschen in zittrigen Händen, die sich trotz allem verzweifelt an die Zeit, an das Leben klammern. Auch wir haben Wünsche und Sehnsüchte, auch wir möchten angenommen werden, obwohl wir so sind, wie wir sind, oder vielleicht gerade deswegen. Wir wollen einfach leben!
Jeder hat seine ganz persönliche Lebensaufgabe, der eine findet sie und lebt sie, ein anderer sucht sie ein Leben lang. Eine Aufgabe aber ist uns allen gemeinsam: Eines Tages muss der frei Wille sich selbst verneinen, damit wir uns wie ein welkes Blatt von Baum des Lebens fallen lassen können in unser ewiges Zuhause. Und ob wir einmal geliebt oder verstoßen, geachtet oder gemieden wurden, dort, an jenem Ort, ist es bedeutungslos. Dort gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft. Es gibt nur Leben – Liebe – Tod. Und wenn alles Äußerliche gleich ist, weil man Unterschiede als Illusion durchschaut hat, zieht in die Seele wunschloses Schweigen ein.
Der Tod: wo er auftritt, ist die menschliche Komödie beendet. Der Tod enthüllt in jedem Lebewesen sein Ebenbild, einen namenlosen Rekruten der grauen Armee. Am Tag der Mobilmachung gibt es keine Ausflüchte, wir müssen uns einer größeren Macht unterordnen.
Doch wenn es an der Zeit ist, den Himmel mit offenen Armen willkommen zu heißen, werden wir das ganze Universum in die Arme schließen.
Und der Tod kam unerwartet zu dem Menschen.
Und der Mensch fragte: „Ist es wirklich schon so weit?“
„Ja, es ist so weit“, antwortete der Tod.
„War das alles?“, fragte der Mensch.
„Ja, das war alles, was Du daraus gemacht hast.“
(Quelle unbekannt)
Es ist ungewiss, wo uns der Tod erwartet. Erwarten wir ihn überall! Damit wir, wenn er kommt, etwas aus unserem Leben gemacht haben und nicht trauern müssen über unser ungelebtes Leben. Der Tod ist nur ein Moment. Das Leben ist auch nur einer.
Text: Kleksi/Traudi G.